In einem Urteil vom 29. Juni 2021, dessen Begründung seit August 2021 vorliegt, hat der Bundesgerichtshof ein vorhergehendes Urteil des Kammergerichts aufgehoben (VI ZR 10/18). Zuvor hatte das Kammergericht den vom Landgericht untersagten Blog als gerade noch zulässige Meinungsäußerung bewertet. Geklagt hatte Oliver Krautscheid, eine Führungskraft und Aufsichtsratsvorsitzender aus Frankfurt am Main.
Marcus Johst, der sich selber als Spezialist für Rufmordkampagnen rühmt, betrieb bis in den Juli 2021 den Internetblog www.aktienversenker.de. Unter diesem Titel verunglimpfte Johst über mehr als zehn Jahre das berufliche Wirken des Aufsichtsratsvorsitzenden Oliver Krautscheid. In über 100 Blogbeiträgen und Videos ließ der Beklagte keine Gelegenheit aus, über den Aufsichtsratsvorsitzenden Verdächtigungen zu verbreiten, die sich durchgehend als unzutreffend erwiesen. So bezeichneten zahlreiche Beiträge den Kläger als „Bilanzfälscher“, „Firmenräuber“, „Börsenhallodri“ oder „Börsenversager“, außerdem wurden ihm unter anderen „Lüge“, „Betrug“, „Habgier“, „Managementversagen“, „Kriminalität“ und die Vernichtung von Aktienvermögen in zahlreichen Unternehmen vorgeworfen. Gerichtsurteile, die diese Vorwürfe bestätigen konnten, liegen nicht vor.
Die reißerischen, abträglichen und suchmaschinenoptimierten Schlagzeilen und Videos führten zum Cyber-Mobbing gegen Oliver Krautscheid und wurden eine „Visitenkarte“ für das fragwürdige Medienberatungsgeschäft von Marcus Johst.
Blog nicht zulässig, wenn dieser einer Erpressung dient
Die Pressekammer des Landgericht Berlins verbot bereits im Jahre 2015 den Betrieb des gesamten Blogs gegen Oliver Krautscheid, weil das Gericht eine sittenwidrige Schädigungsabsicht von Johst erkannte. Das Kammergericht Berlin urteilte 2017, der Kläger habe diese „Meinungsäußerungen“ hinzunehmen, weil es um berufsbezogene Themen ginge und die Berichterstattung auf dem Blog überwiegend „substanzarm“ respektive frei von Fakten seien. Das gelte sogar noch, wenn im Raum steht, dass der Beklagte ohne Rechtsgrund viel Geld für die Einstellung der Rufmordkampagne verlangt haben soll. Das Urteil gewährte daher im Ergebnis auch Mafiosos das Recht auf die Verbreitung von falschen Verdächtigungen. Nun hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsauffassung des Kammergerichts für rechtswidrig erachtet.